Bei klassischen Heilfastenkuren werden regelmäßig Maßnahmen zur Darmreinigung durchgeführt. Aktuelle Studien zeigen, dass diese das Mikrobiom schädigen und regelmäßiges Glaubern sogar das Risiko für Demenz erhöhen kann.
Fasten, wenn man es richtig macht, unterstützt die Gesundheit des Mikrobioms ganz hervorragend. Gut untersucht ist vor allem der Einfluss des Intervallfastens auf die Bakterien im Darm und die Stoffwechselgesundheit. Doch wie steht es mit den begleitenden Maßnahmen bei etablierten Heilfastenkuren?
Viele bekannte Fastenkuren beginnen mit einer so genannten „Darmreinigung“, also beispielsweise dem Abführen mit Glaubersalz, Einläufen oder einer „Kolonhydrotherapie“. Entgegen oft gehörter Behauptungen, reduziert Abführen das Hungergefühl nicht und beschleunigt auch nicht die Entgiftung! Es gibt keine wissenschaftliche Studie, die zeigt, dass sich durch Fasten mit Darmreinigung bessere Effekte für Gesundheit und Mikrobiom erzielen lassen als durch Fasten OHNE Abführen. Die Darmentleerung hat lediglich psychologische Effekte. Wer regelmäßig Heilfastenkuren bucht, kennt es nicht anders und hinterfragt diese Maßnahme nicht. Und nach der Abführprozedur zeigt sich auf der Waage dann bereits nach einem Tag ein Gewichtsverlust, der allerdings zunächst nur auf einer Austrocknung des Körpers durch Flüssigkeitsverlust beruht. Aus gesundheitlicher Sicht ist jede Form der Darmreinigung schlecht für unser Mikrobiom und begünstigt Dybiosen, also Störungen und Chaos in der Zusammensetzung der Darmflora.
Darmreinigung schädlich fürs Mikrobiom
Die Empfehlung zur Darmreinigung zeugt von einem mangelnden Verständnis der Vorgänge im Darm. Und Studien belegen, dass fastenbegleitende Darmreinigungen den langfristigen Erfolg von Heilfastenkuren sogar zunichtemachen können. Eine Darmreinigung sorgt NICHT für „Entgiftung“, stärkt NICHT das Immunsystem und verbessert auch NICHT den Fastenerfolg. Es ist auch nicht richtig, dass Stuhlreste im Darm zu faulen oder zu gären beginnen, wenn sie vor dem Nahrungsverzicht nicht entfernt werden. Fasten funktioniert auch ohne Darmreinigung. Unsere Vorfahren haben nicht abgeführt, wenn eine Hungersnot drohte. Die Empfehlung, vor dem Fasten abzuführen, stammt aus dem letzten Jahrhundert.
Nicht alle traditionellen Behandlungsverfahren sind von vornherein schlecht, aber wenn es neue Erkenntnisse gibt, kann es sinnvoll sein, sich von Althergebrachtem zu verabschieden. Das gilt auch für die Darmreinigung. Heute weiß man es besser: Jede Form der Darmreinigung schädigt die Darmflora messbar und sollte deshalb – wann immer möglich – vermieden werden. Der einzige Grund für eine Darmreinigung ist die Vorbereitung auf eine Darmspiegelung (Koloskopie). Aber auch in diesem Fall sollte anschließend das Mikrobiom durch die Einnahme probiotischer Bakterien und präbiotischer Ballaststoffe wieder aufgebaut werden.
Abführen – die Zerstörung des Ökosystem „Darm“
Unser Darm stellt das artenreichste und das am dichtesten besiedelte Biotop der Erde dar. Vielfalt, also das Vorkommen zahlreicher, unterschiedlicher Mikroorganismen ist ein wichtiger Marker für einen gesunden Darm, denn nützliche Darmbakterien „kümmern“ sich um unsere Gesundheit und Figur und verwerten gleichzeitig unverdauliche Ballaststoffe. „Schlacken“ und „Abfallstoffe“ fallen deshalb im Darm nicht an. Dennoch hält sich hartnäckig der Gedanke, der Darm sei eine Art „Abflussrohr“, das regelmäßig durchgespült werden müsse, um zu funktionieren oder gesund zu bleiben.
Doch aktuelle Studien zeigen, dass dadurch das Mikrobiom nachhaltig beschädigt wird. Man kann das vergleichen mit einer Brandrodung im Regenwald. Anschließend ist der Zustand des Biotops definitiv nicht besser geworden, selbst, wenn man dann mit einer Aufforstung beginnen würde, sind viele Pflanzen für immer verloren. Ähnlich sieht es auch im Darm aus, der mit Hilfe von Abführmitteln und Spülungen „gereinigt“ wurde. Darmreinigungen haben so negative Auswirkungen auf die Darmflora wie eine langfristige Antibiotikatherapie. Denn – ähnlich wie Antibiotika – unterscheiden auch Abführmittel und Darmspülungen nicht zwischen Freund und Feind und dezimieren die guten wie die schlechten Keime gleichermaßen.
Nützliche Bakterien gehen bei der Darmreinigung verloren
Bei der Darmreinigung werden mit der Flüssigkeit nicht nur Stuhlreste, sondern vor allem immense Mengen an gesunden und nützlichen Bakterien ausgespült. Veränderungen findet man danach bei ganz unterschiedlichen Bakterienstämmen im Darm. In einer Studie ließ sich nachweisen, dass kurz nach dem Abführen mit Glaubersalz bzw. Polyethylen-Glykol (PEG) die Keimzahl um das 31-fache (!!) gesunken war. Bei jedem Fünften waren die Veränderungen der Darmflora so ausgeprägt, dass die für jeden Menschen charakteristische, individuelle Zusammensetzung der Darmflora zumindest vorübergehend komplett zerstört war.
Bei vielen Fastenkuren wird nicht nur einmal abgeführt, sondern teilweise an jedem zweiten Tag. Der Schaden, der dadurch angerichtet wird, ist immens. Kurz nach einer Darmreinigung findet man deutlich weniger der hilfreichen und vor allem schlank machenden Bacteroidetes, Bifidobakterien, Milchsäurestämme sowie anderer darmfreundlicher Vertreter. Dafür nehmen Proteobakterien und Enterobakterien zu. Diese Konstellation schaltet im Darm alle Hebel auf Entzündung. Und diese Veränderungen begünstigen, wenn sich die Darmflora nicht wieder rasch erholt, Übergewicht, Reizdarm, chronisch entzündliche Darmerkrankungen und möglicherweise auch Allergien, Autoimmunerkrankungen und andere Entzündungen im Körper.
Probiotika und Darmreinigung
Prinzipiell gilt: Das „Durchspülen“ macht die Situation im Darm nicht besser, sondern schlechter. Keime, die Übergewicht und Entzündungen fördern, nehmen anschließend Überhand. Außer zu diagnostischen Zwecken im Rahmen einer Darmuntersuchung sollte man um alle Formen der Darmreinigung einen großen Bogen machen – zum Wohle einer vielfältigen, gesunden und stabilen Darmflora. Wenn Sie zum Beispiel zur Vorbereitung einer Darmspiegelung, abführen müssen, sollten Sie durch die Einnahme von Pro- und/oder Präbiotika anschließend die Regeneration der Darmflora unterstützen.
Ich werde oft gefragt, was man statt des Abführens für den Darm und das Mikrobiom tun muss. Die Antwort ist eigentlich ganz einfach: Man muss nichts tun! Fasten tut dem Mikrobiom gut. Man kann das Mikrobiom beim Intervallfasten unterstützen, wenn man sich im „Essfenster“ mit reichlich Ballaststoffen und Präbiotika versorgt. Beim Heilfasten gibt es oft auch kleine, kalorienarme Mahlzeiten. Hier kann es sinnvoll sein, darmfreundliche Nahrungsmittel wie Mandeln oder Erdnüsse als kleine Zwischenmahlzeit zu nutzen oder Nahrungsergänzungsmittel mit präbiotischen Ballaststoffen und probiotischen Bakterien morgens oder mittags einzunehmen. Mehr braucht das Mikrobiom nicht, um sich wohlzufühlen und auf gar keinen Fall wünschen sich unsere Darmbakterien durch eine Darmreinigung ausgespült zu werden.
Literatur Darmreinigung
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